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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 9 UF 8/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
ZPO § 119 Abs. 1, S. 1 | |
BGB § 1671 Abs. 1 | |
BGB § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
9 UF 8/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Seidel, den Richter am Landgericht Schollbach und den Richter am Amtsgericht Götsche
am 29. März 2001
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Antragsgegners vom 19. Januar 2001 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin von 8. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Gemäß §§ 114, 119 Abs. 1, S. 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe nur insoweit zu bewilligen, als Aussicht auf Erfolg für das eingelegte Rechtsmittel besteht. Dies führt zur Ablehnung des gestellten Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da die von dem Antragsgegner eingelegte befristete Beschwerde (§ 621 e ZPO) zwar zulässig ist, in der Sache selbst aber nach derzeitigem Stand keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB ist bei Eltern, die nicht nur vorübergehend voneinander getrennt leben, die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen, wenn bei widerstreitenden Anträgen zum Sorgerecht zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Regelung kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne besteht, dass eine Priorität zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als "ultima ratio" in Betracht kommen sollte (BGH NJW 2000, 203 f. m. w. N.). Danach ist zu prüfen, inwieweit beide Eltern uneingeschränkt zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind, ob ein gemeinsamer Wille zur Kooperation besteht und ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten, das Sorgerecht nur einem Elternteil zu übertragen (BVerfG FamRZ 1982, 1179). Das Kindeswohl hat sich dabei an den Grundsätzen der Kontinuität, der Förderung, der Bindungen des Kindes an seine Eltern und an seine Geschwister sowie am geäußerten Willen des Kindes zu orientieren (BGH FamRZ 1990, 392, 393).
Diese Gründe für eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge liegen vor, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat.
Schwere Gewaltanwendungen eines Elternteils lassen diesen Elternteil regelmäßig als ungeeignet zur Pflege und Erziehung des Kindes erscheinen (Oelkers in: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Aufl. 2001, 4. Kapitel, Rn. 169; siehe auch Niepmann MDR 1998, 565, 566). Der Antragsgegner verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe von 4 1/2 Jahren, zu welcher er durch Urteil des LG N vom 25. August 2000 u. a. wegen mehrfachen sexuellen Mißbrauchs an seinen Stiefkindern N und D Z (den leiblichen Kindern der Antragstellerin) verurteilt worden ist. Nach der von der Antragstellerin eingereichten Kopie des Beschlusses des BGH vom 8. Februar 2001 ( ) ist die gegen das Urteil des LGN gerichtete Revision des Antragsgegners als unbegründet zurückgewiesen worden und das Urteil somit rechtskräftig. Schon diese schwerwiegenden Umstände lassen den Antragsgegner als erziehungsungeeignet auch gegenüber seiner im hiesigen Verfahren betroffenen leiblichen Tochter L Z erscheinen. Hinzu kommt, daß der Antragsgegner ausweislich seiner handschriftlich gefertigten schriftlichen Stellungnahmen - zuletzt vom 20. Dezember 2000 - nach wie vor das Unrecht seiner Tat (die er zumindest in Teilbereichen ausweislich des Kollegial-Gutachtens der Sachverständigen G und Go vom 29. Mai 2000 gestanden hat) nicht einsieht; für das hiesige Verfahren geht er von einer Verschwörung gegen sich - insbesondere durch die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, Rechtsanwältin S - aus. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der Antragsgegner pädophil ist bzw. ob - wie das Amtsgericht ausführt - gerade bei Nichtbestehen einer Pädophilie eine latente Gefährdung des Wohls der betroffenen Tochter zu befürchten ist.
Neben der sich aus seinen Straftaten ergebenden Ungeeignetheit des Antragsgegners zur Pflege und Erziehung der gemeinsamen Tochter ist zudem zu beachten, dass nach derzeitigem Stand keine Kooperationsfähigkeit zwischen den Elternteilen festgestellt werden kann. So bestehen unstreitig nur in äußerst geringem Umfange Kontakte zwischen ihnen; die Antragstellerin lehnt dies ausweislich ihrer persönlichen Anhörung vom 21. November 2000 wegen mangelnden Vertrauens zum Antragsgegner derzeit ab. Insoweit bestehen zumindest ernsthafte Zweifel am gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit, was bereits für sich allein betrachtet (vgl. dazu nur Oelkers a. a. O. Rn. 173), zumindest aber in Verbindung mit der aus der Verurteilung des Antragsgegners folgenden Ungeeignetheit zur Pflege und Erziehung zum Wohle des Kindes die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bedingt.
Dass diese Aufhebung durch Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Antragstellerin zu erfolgen hat, ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Kontinuität, da sie zumindest seit der Inhaftierung des Antragsgegners im Februar 2000 das Kind allein betreut und versorgt und der Antragsgegner noch auf längere Zeit in der Ausübung der elterlichen Sorge erheblich beschränkt sein wird, zumal der Antragsgegner keinen eigenen Antrag auf Übertragung des Sorgerechts gestellt hat.
Ende der Entscheidung
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